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Donnerstag, 24. September 2015

Teej und das Rüschenmonster



Letzte Woche war Teej, das sogenannte „Frauenfestival“. Ein etwas merkwürdiger Name, denn eigentlich geht es im Endeffekt dann doch wieder um die Männer… Frauen feiern eine Woche, ziehen sich vor allem rote Sachen an und fasten, beten und baden für ihre Ehemänner. Wenn alle Regeln eingehalten werden, dann soll das dazu beitragen, dass der Ehemann länger lebt. Ein wichtiger Teil ist ein Bad in den heiligen Flüssen, und ich muss sagen wer das macht muss seinen Mann wirklich sehr lieben :-).
Teej ist ein hinduistisches Festival und damit wieder eines der Festivals, die ich bisher in Kaule immer irgendwie verpasst habe… Miriam sollte sich in der Schule wieder schön anziehen, diesmal natürlich in rot. Ich habe dann den Fehler gemacht, das kaufen des Kleides zu delegieren und Tilak und Miriam sind los… Sie kamen dann mit einem Alptraum in rot wieder, Rüschen über Rüschen, viel zu groß und eher für eine 14 jährige geschnitten als für eine 5jährige… Und ein paar Schuhe dazu, die man auch als Eiskunstlaufschuhe hätte nehmen können, die Sohle bestand nämlich aus super glattem Kunstleder. Als Miriam mir vorführen wollte, wie super sie damit laufen kann und dass das alles halb so schlimm ist, ist sie sofort durch den halben Raum geschlittert und dann auf den Hintern gefallen. Wenigstens war dann die Überzeugungsarbeit leichter… Auch das Rüschenmonster konnte ich wegdiskutieren, also sind die beiden am nächsten Morgen vor der Schule nochmal los, um das entsprechende Kleidungsstück zu erwerben. Ja, ich hätte aus meinem Fehler lernen müssen, aber offensichtlich bin ich grenzenlos naiv. Als sie zum zweiten Mal wiederkamen (noch 20 Minuten bis Schulbeginn) war das Kleid ok, aber leider zu klein… Ich hab das sofort gesehen, aber beide waren total überzeugt: Der Verkäufer hat aber gesagt, das passt. Selbst als es eindeutig nicht über Miriams Hüfte passte, hat sie noch versucht zu argumentieren. Also war Option Nummer 2 auch aus dem Spiel und wir wollten schon komplett aufgeben, aber Tilak ist dann nochmal schnell los und hat dann endlich 5 Minuten vor Schulbeginn ein passendes und für alle Beteiligten akzeptables Kleid gefunden! Und Miriam ist dann natürlich stolz wie Oskar in die Schule gegangen und wollte es gar nicht mehr ausziehen…  

Endlich das passende Kleid...
Und sogar mit Lippenstift

Abends waren wir dann bei unserem Vermieter zum Essen eingeladen, wir saßen auf der Dachterrasse, haben leckeres Dhal Bhat gegessen und sind von rundherum mit lauter Musik beschallt worden, weil in allen Ecken eine Teej Party stattfand. Vor allem die Frauen tanzen da die halbe Nacht durch, bevor ab dem nächsten Morgen gefastet wird. Miriam hat dann schon die ersten Tanzeinlagen auf der Dachterrasse präsentiert, eine interessante Mischung als nepalischem Tanz, Ballett und Bollywood :-). Die Gäste von unseren Vermieter konnten gar nicht glauben, dass sie ein deutsches Kind sei… Später sind wir dann noch mit Madhu und Manisha zu einer Teejparty im Nebenhaus gegangen und haben bis halb zwölf getanzt, Miriam war zwar am Anfang schüchtern und hat sich nicht so richtig getraut, war aber dann ganz in ihrem Element. 
Ohne Blitz und nur mit Handykamera, aber ich denke man bekommt einen Eind ruck









 
Am nächsten Tag sind wir nach Kaule gefahren, das Kleid musste natürlich an bleiben und auf dem Weg sind wir an mehreren Tempeln vorbei gekommen, die total überfüllt waren von Frauen, die ihre Opfergaben geben wollten. Miriam hat das ganze allerdings dann verschlafen… So ist das eben, wenn man die halbe Nacht durchtanzt. 


Stau am Tempel
 


Die Ziegen wollten auch mitfeiern...
Miriam hat die ganze Fahrt verschlafen

Samstag, 12. September 2015

Nicht trotz sondern wegen des Erdbebens…



Nepal ist in den letzten drei Jahren so etwas wie ein zu Hause für Miriam und mich geworden und ich nehme natürlich großen Anteil an aktuellen Entwicklungen im Land. Daher heute mal ein etwas anderer Beitrag…
Wenn ich das von hier aus richtig mitbekomme, so war die internationale Presse direkt nach dem Erdbeben voll mit Horrornachrichten und Bildern von Toten und eingestürzten Tempeln. So wichtig wie diese Bilder auch am Anfang waren, um die Welt auf die Katastrophe aufmerksam zu machen, so schnell wurde dann aber auch klar, dass dadurch eine Katastrophe ähnlichen Ausmaßes angerichtet wurde, nämlich der komplette Einbruch des Tourismus. Also bildeten die örtlichen Reiseveranstalter schnell eine Task Force um eine neue Nachricht in die Welt zu bringen: Nepal ist sicher. Man kann trotz des Erdbebens nach Nepal reisen und eine wundervolle Zeit verbringen, es sind nur 14 Distrikte betroffen, der Wiederaufbau läuft, alles kein Problem. Für mich gibt es aber auch noch eine andere Dimension des Reisens nach Nepal – Nepal ist jetzt anders. 
 
Merkwürdigerweise haben in den Wochen nach dem Erdbeben zum ersten Mal Blumen geblüht, die ich am Demozentrum gesät hatte...
 


Wer jetzt nach Nepal reist, wird das Land ganz neu entdecken und mit Sicherheit andere Erfahrungen machen, als auf vorherigen Reisen. Gerade jetzt kann man Zeuge des Wiederaufbaus und auch des Neuaufbaus werden und eine Kultur ganz anders und neu kennenlernen, und das ist ein Erlebnis für sich.
Eine nepalesische Eigenschaft, die mich bis jetzt in meiner Arbeit immer wahnsinnig gemacht hat, ist die Eigenschaft, so viele Dinge einfach zu akzeptieren. Während ich gelernt habe, dass ich nur hart genug arbeiten muss, um zu erreichen was ich möchte, so glauben die meisten Menschen hier an so etwas wie das Schicksal und dass die Dinge passieren, wenn sie passieren sollen. Dass das die Arbeit in einem Entwicklungsprojekt schwierig machen kann, muss ich wohl nicht einzeln erklären. Im Moment bin ich aber gerade auf diese Eigenschaft sehr neidisch und wünschte, ich hätte mir in den letzten drei Jahren etwas mehr davon angeeignet. Während ich immer noch mit dem Erdbeben hadere, auf dass ich nun mal keinerlei Einfluss hatte, nehmen meine nepalesischen Freunde es eben einfach hin und gucken nach vorne. Gerade jetzt kann man viel über Akzeptanz lernen und vor allem die positiven Seiten erleben. 


Ich weiß, das Bild hatte ich schonmal, ich finde es passt hier aber wieder sehr gut: Das Haus ist kaputt, also wird es direkt zum Trocknen des Getreides genutzt, da es ohne Dach am meisten Sonne abbekommt

Auch herrscht im Moment eine besondere Art der positiven Energie. Das Erbeben war – jedenfalls in Kaule – so etwas wie ein Gleichmacher, jeder hat sein Haus verloren, jeder ist in einer ähnlichen Position. Plötzlich arbeiten Menschen zusammen, die das vorher niemals getan hätten und Pläne erscheinen möglich, die vor dem Erdbeben wie Wahnsinn erschienen. Leute die mich vorher auf der Straße nicht gegrüßt haben möchten jetzt mit uns zusammenarbeiten und zum ersten Mal haben ich das Gefühl, dass wirklich das ganze Dorf versteht, wie wichtig Bäume sind, da man täglich sehen kann, was Erosion anrichtet. Auch wenn ich natürlich weiß, dass persönliche Interessen nicht plötzlich verschwunden sind, so gibt es jetzt doch eine große Chance, die Weichen anders zu stellen und in Zukunft mit einer solidarischeren Gemeinschaft zu arbeiten. 

Damai ist wie immer zu Späßen aufgelegt... :-)

Mitzuerleben, wie die Nepalis ihr Land – in Abwesenheit der Regierung – mit viel Improvisation wieder aufbauen möchten und Pläne schmieden, ist ein Erlebnis an sich. Die Widerstandsfähigkeit dieser Menschen ist außergewöhnlich und neben den Nashörnern, den Tempeln und den Bergen eine Attraktion an sich. 

Still smiling...
 

Ich möchte hier keineswegs die Dramatik des Erdbebens runter reden, die steckt uns allen noch in den Knochen und findet immer wieder ihren Ausdruck. Kein Treffen mit alten Bekannten läuft ohne „Earthquake talk“ ab und wir zucken weiterhin bei lauten Geräuschen zusammen. Es hat sich auch nichts daran geändert, dass viele Menschen  - vor allem in den Dörfern – jetzt vor dem nichts stehen und Unterstützung händeringend benötigen. Unterstützung die die Regierung nicht gibt, da diese sich im Moment in Streitereien über die Verfassung aufreibt und das Land in die nächste Krise getrieben hat. Aber vielleicht eigne ich mir doch mittlerweile ein bisschen nepalesische Gelassenheit an und sehe das positive, das faszinierende, und das hoffnungsvolle. Daher finde ich den derzeitigen Slogan falsch – nicht nur trotz des Erdbebens sollte man nach Nepal fahren, sondern wegen! Nur jetzt gibt es die Chance, eine ganz andere Seite des Landes kennenzulernen.